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LENNY KRAVITZ

Das Leben eines Pop-Stars ist hart: Wegen eines heftigen Sturms auf den Bahamas, wo er seinen Urlaub verbrachte, konnte Lenny Kravitz eine Promotion-Reise nach Europa erst mit einem Tag Verspätung antreten. In Paris angekommen, erwartet den Jet-Lag-geplagten Musiker direkt ein minutiös durchgeplanter Nachmittag mit Presse-, Funk- und Fernseh-Interviews zu seiner aktuellen zweiten LP Mama Said - eine LP, die ihm noch persönlicher geraten ist als sein aufsehenerregendes Debüt Let Love Rule aus dem Jahr '89.

Was Lenny Kravitz auf Mama Said ebenso wie im Gespräch am meisten bewegt, ist die Trennung von Noch-Ehefrau Lisa Bonet und Töchterchen Zoë. Ich hätte nicht gedacht, daß mir so etwas in einer Million von Jahren widerfahren würde - besonders angesichts der Tatsache, daß Lisa und ich als 'Love Children' der 90er Jahre tituliert wurden, sagt er nachdenklich; und er sinniert bei einer Nachfrage zu der von ihm initiierten Neuaufnahme von Give Peace A Chance über die Schwierigkeit, hehre Werte und Ideale im eigenen Leben umzusetzen: Eigentlich ist es logisch, daß es auf der Welt keinen Frieden gibt - die Leute können nicht mal vernünftig mit ihren Müttern, Schwestern, Brüder, Ehefrauen oder -männern umgehen Zu versuchen, die Welt zu retten, ist eine Sache; seine persönliche Scheiße in den Griff zu kriegen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich versuche, an beidem zu arbeiten...

Und nebenher ist er auch noch als Musiker aktiv. Auch sein jüngstes Werk - das sich stilistisch an klassische Vorbilder von Curtis Mayfield bis zu den Beatles anlehnt - hat Lenny Kravitz zum größten Teil im Alleingang aufgenommen, wofür ihm schon vor zwei Jahren so mancher Kritiker Selbstsucht vorgeworfen hatte. Ich verstehe nicht, warum, entgegnet der Multiinstrumentalist. Mir war es einfach nur nicht gelungen, Musiker zu finden, mit denen ich spielen konnte. Wenn ich geeignete Partner finden könnte, würde ich lieber mit einer richtigen Band ins Studio gehen. Aber junge Musiker haben meinen Stil nicht drauf, weil sich die Musik zu sehr in Richtung Computer geändert hat. Mit den instrumentalen Fähigkeiten ist es dadurch stark bergab gegangen.

Mit der aktuellen amerikanischen Musikszene fühlt sich der 27jährige Traditionalist dementsprechend nicht allzu wohl: Es ist traurig Eigentlich wäre es die Aufgabe der Radiostationen, neben dem ganzen Computer-Kram auch ein Gegengewicht anzubieten. 15jährige Kids, die auf Rock'n'Roll stehen, wissen nicht, wer zum Teufel Led Zeppelin ist, Bob Marley, Cream, Aretha Franklin oder Al Green. Es ist die Aufgabe der Radiostationen, solche Genies lebendig zu erhalten

Seine eigene musikalische Ausbildung begann für Lenny Kravitz schon vor seiner Geburt. Seine wohlmeinende Mutter, die schwarze Schauspielerin Roxie Roker, legte den Grundstein: Sie erzählte mir, daß sie während der Schwangerschaft nahe an ihrem Bauch Schallplatten abspielte, damit ich mit einem Gefühl für Rhythmus aufwachsen würde. Eine Methode, die offensichtlich erfolgreich war

Peter Jebsen

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