ME/Sounds 5/93

TERENCE TRENT D'ARBY

Das einstige Großmaul ist bescheiden geworden. Terence Trent D'Arby - mit 25 als Prince of Pop gefeiert, mit 27 an seinen eigenen Ambitionen zumindest kommerziell gescheitert - geht geläutert in die dritte Runde. Ich habe meine Hype zwar damals selbst nicht geglaubt, verrät das heute 31jährige Multi-Talent, das sich mit Sprüchen wie Ich bin ein Genie und Mein LP-Debüt ist besser als SERGEANT PEPPER schnell zum Medien-Liebling hochplapperte. Die Gefahr liegt ganz woanders: Es wird zu bequem, sich hinter dem Image zu verstecken, das man selbst geschaffen hat Der Schauspieler in dir bringt die Rolle, die er spielt, mit der echten Persönlichkeit durcheinander.

Durch ein früheres Journalismus-Studium wußte der Selbst-Promoter, welche Spielbälle er den Medien zuzuwerfen hatte. Manchmal jedoch, so meint er zurückblickend, machten sich seine Kollegen des Foul-Plays schuldig, indem sie privat Dahergesagtes oder Ironisches zu egomanischen Prahlereien aufbliesen. Zum Beispiel den Genie-Spruch: Ein Interviewer, der sich als großer Anhänger ausgab, schaltete sein Tonbandgerät ab, lächelte mich an and sagte: 'Was glaubst du, wie gut du bist?' Ich lachte und antwortete: 'Was für eine Frage - I'm a fuckin' genius' Wir beide amüsierten uns darüber, weil wir keine Ahnung hatten, daß dies meine Version von 'Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde' sein würde...

In den vergangenen dreieinhalb Jahre nahm Terence Trent D'Arby erst mal Urlaub vom Rampenlicht, schaffte sich finanzielle und juristische Probleme vom Hals, zog von London nach Los Angeles um, baute sich ein eigenes Studio auf und produzierte dort in anderthalb Jahren 50 neue Songs. 16 davon landeten auf seinem dritten Album mit dem programmatischen Titel SYMPHONY OR DAMN.

Das neue Werk soll die Entscheidung zwischen Anerkennung und Verdammnis bringen; und wie Terence Trent D'Arby heute verrät, war diese verbal herbeigeführte Nagelprobe Teil einer langfristig angelegten Strategie, ausgeheckt von seinem Unterbewußtsein: Ich habe mir meine ersten drei LP-Titel schon vor der Fertigstellung des ersten Albums hintereinander ausgedacht, über einen Zeitraum von zwei Wochen.

Mit THE HARDLINE ACCORDING TO TERENCE TRENT D'ARBY knallte er 1987 der Musikszene ein so selbstbewußtes Statement vor den Latz, daß sich aus dem Stand heraus weltweit rund acht Millionen Plattenkäufer auf die neue Soul-Hoffnung stürzten; mit dem eher unentschiedenen Nachfolger NEITHER FISH NOR FLESH wurde dieser Höhenflug dann abrupt gebremst. Verkaufsbilanz: 1,8 Millionen Exemplare - eigentlich keine Zahl, für die man sich schämen muß, meint Terence, der jedoch mit SYMPHONY OR DAMN gleich wieder nach Höherem strebt.

Daß der dritte Streich nicht irgendein Pop-Konfekt zum Naschen ist, macht der Sound-Schöpfer schon in den Danksagungen seines Werkes klar. Darin verweist er unter anderem auch auf die Inspirationen, zu denen ihm die Lyriker Rainer Maria Rilke und Walt Whitman verholfen haben. Der Pfarrerssohn (und Hobby-Philosoph) holt aus: Obwohl Jesus offensichtlich das Maskottchen des Christentums ist, ist mir das Christentum - ehrlich gesagt - scheißegal. Wofür Jesus selbst stand, ist mir allerdings sehr wichtig: Er wollte den Menschen die Möglichkeiten vor Augen halten, die in einem selbst stecken. Als man ihn fragte, wann er wiederkehren und wann es das Himmelreich auf Erden geben würde, von dem er ständig sprach, antwortete er: 'Es ist schon da - Ihr wißt nur nicht, wie man es erkennt' Über diese Einsicht sprechen auch Rilke, Whitman und ihresgleichen: 'Es ist alles schon jetzt hier - hört auf, nach der Zukunft zu suchen'

Weltliche Hilfestellung erhielt Terence Trent D'Arby von zwei naheliegenderen Teilzeit-Poeten: Prince und Bruce Springsteen. Sie leisteten ihm während der NEITHER-FISH-NOR-FLESH-Nachwehen moralische Unterstützung und rieten ihm, die Schlappe herunterzuschlucken und sich einfach dem nächsten Projekt zuzuwenden - das ist dein Job als Künstler, zitiert er die beiden, die er wie große Brüder empfand. Springsteen zum Beispiel nahm mich unter seine Fittiche und erklärte mir, daß es eine Menge Parallelen in den Reaktionen auf sein und auf mein zweites Album gab...

Unser Stehaufmännchen verzapfte mit SYMPHONY OR DAMN wieder ein Werk mit den typischen Terence-Trent-D'Arby-Markenzeichen - Aushängeschild ist natürlich ist zuallererst seine unverwechselbare Stimme; fordernd, betörend, ekstatisch, besinnlich. Den musikalischen Soundtrack dazu - ein vielfältiges, aber nicht zerfahrenes Stilgebräu von leichtmetallig-alternative bis zu Schmuse-Pop - schüttelte er locker aus dem Ärmel, eingespielt zu einem großen Teil im Alleingang (Manchmal kann auch Masturbation aufregend sein - es hängt davon ab, ob man andere Leute zusehen läßt, meint Terence lachend über seine Aufnahmeweise).

Auf also in die nächste Runde - als ehemaliger Box-Champion und in der US-Armee hat Terence Trent D'Arby schließlich Zähigkeit gelernt. Vor allem die Armee hat mich gelehrt, daß man manchmal mehr in sich hat, als man denkt Ich hatte mich eigentlich immer als ziemlichen weichen, sensiblen Typen gesehen - während der letzten drei Jahre in der Armee wurde mir allerdings klar, daß ich stärker war, als ich dachte. Das Boxen war so ähnlich - es war ein Schock und eine Überraschung für mich, daß ich so etwas konnte. Es würde mich nicht überraschen, wenn dies alles Vorboten von dem wären, was ich vielleicht mal in Zukunft tun werde - Dinge, von denen ich per Zufall entdecke, daß ich sie wider Erwarten draufhabe...

Peter Jebsen

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