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TOM JONES

Der Tiger läßt das Brüllen nicht

Dreißig Jahre nach seinem ersten Pop-Hit (It's Not Unusual) ist Tom Jones so gefragt wie eh und je. Mit den modernen Sounds seines aktuellen Albums The Lead And How To Swing It hat es der 54jährige Ex-Bergmann aus Wales geschafft, auch die Enkelkinder seiner allerersten Anhänger zu beeindrucken - eine reife Leistung, die der Vollblut-Entertainer bei seiner demnächst beginnenden Deutschland-Tournee zu wiederholen gedenkt. Vor einem grandiosen Auftritt in London stand er stereoplay Rede und Antwort.

stereoplay: Sie werden in einer Dreiviertelstunde auf der Bühne stehen - sind Sie wirklich so ruhig, wie Sie im Moment wirken?

Tom Jones: Ich bin immer ruhig vor einem Auftritt, wenn es mir gut geht. Richtig nervös bin ich nur in neuen, ungewohnten Situationen - am schlimmsten war dies in den 60er Jahren bei einem Auftritt vor der Queen im Londoner Palladium.

stereoplay: Sie hat aber keine Höschen auf die Bühne geworfen...

Tom Jones: Nein, sie nicht (lacht)

stereoplay: Stört es Sie, wenn die Klatschpresse in Ihrem Privatleben herumstochert?

Tom Jones: Es kommt darauf an, was sie schreiben. Manchmal nehmen sie sich zu viele Freiheiten. Viele Leser denken sich, daß irgendetwas an diesen Geschichten dran sein muß; nach dem Motto: Es gibt keinen Rauch, ohne daß irgendwo auch ein Feuer brennt - obwohl sie natürlich wissen, daß die Yellow-Press-Magazine keine richtigen Zeitungen sind. Aber selbst ich ertappe mich dabei, wie ich mich beim Lesen solcher Blätter frage, ob es wirklich Prominente gebe, die solche Sachen machen. Dann erinnere ich mich daran, daß ich es eigentlich besser wissen müßte, da auch über mich jede Menge Lügen verbreitet wurden - oder Halbwahrheiten...

stereoplay: Wie geht Ihre Frau mit indiskreten Klatsch-Stories um?

Tom Jones: Sie liest solche Zeitschriften nicht mehr. Sie sieht sich nur die Geschichten aus ernstzunehmenden Magazinen an, die ich ihr zeige. Den anderen Müll ignoriert sie.

stereoplay: Manche der Artikel, die über Sie geschrieben wurden, vermitteln den Eindruck, Sie seien ein Chauvi-Schwein...

Tom Jones: Ich erzähl' Ihnen, wie das zustandegekommen ist: Als mich ein Interviewer mal nach meiner Kindheit in Wales fragte, erzählte ich, daß damals Männer das Geld verdienten und sich Frauen um den Haushalt kümmerten. Im Artikel zitierten sie nur diesen Halbsatz - es las sich so, als ob Tom Jones meinte, Frauen würden an den Herd gehören

stereoplay: Wie ist es in diesem Busineß möglich, den Rummel, der um Ihre Person gemacht wird, nicht zu ernst zu nehmen?

Tom Jones: Ich sage mir stets, daß ich nur so gut bin wie meine letzte Performance. Und das ist einer der Gründe dafür, warum ich immer wieder auf Tournee gehe: Ich muß mir auf der Bühne selbst beweisen, daß ich es immer noch draufhabe.

stereoplay: Sie haben vor geraumer Zeit Michael Jackson getroffen, der mit Sicherheit in einem der größten Elfenbeintürme sitzt. Ist es möglich, sich mit einem solchen Kollegen ganz normal, von Mensch zu Mensch, zu unterhalten?

Tom Jones: Ja... und zwar über die Musik. Sie ist der gemeinsame Nenner, den man in einem solchen Fall finden kann. Ich kenne Michael nicht näher, aber er scheint ein wirklich netter Typ zu sein.

stereoplay: Sie waren schon immer stark von schwarzer Musik, vom amerikanischen Rhythm & Blues beeinflußt - ein Stil, dessen traditionelle Form heute so gut wie nicht mehr existiert. Welchen aktuellen R&B halten Sie noch für interessant?

Tom Jones: Einige der Balladen, zum Beispiel von Whitney Houston und Toni Braxton. Es gibt auch noch viele Blues-Sänger und -Gitarristen, allerdings nicht allzu viele junge. Die jüngeren Musiker verbinden damit eine negative Periode der Geschichte, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollen. Es ist eine Schande, weil Blues schließlich zu den Wurzeln der Pop-Musik zählt.

Generell denke ich jedoch, daß heute mehr gute Sänger auf dem Markt sind als, sagen wir mal, vor 30 Jahren; vor allem in der schwarzen Musik. Ich stehe sehr auf Gruppen wie Boyz II Men und En Vogue. Es ist also noch nicht alles verloren - es ist nicht alles nur noch Rap.

stereoplay: Sie standen in den 60er Jahren auf einer Liste von Todeskandidaten, die Charles Manson umbringen lassen wollte. Wie sind Sie damals damit umgegangen?

Tom Jones: Ich war sehr erleichtert, als Charles Manson eingesperrt wurde Ich hörte von der Liste erst nach seiner Verhaftung - es war ziemlich furchterregend. Aber zum Glück wußte ich nichts davon, als ich noch akut bedroht war.

Peter Jebsen

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